Wie ein kleiner Logistiker vom riesigen Onlinemarkt in China profitiert

China ist der größte E-Commerce-Markt der Welt. Mitte 2021 belief sich die Zahl der Onlinekäufer bereits auf 812 Millionen Menschen. Das waren etwa 80 Prozent der Internetnutzer in dem Land.

Aus der DVZ – vom 20.05.2022: Das Potenzial ist riesig – und die chinesischen Konsumenten stehen auf europäische und vor allem deutsche Produkte. Das weiß Andreas Janetzko, Geschäftsführer beim Kölner Dienstleister MBS Logistics. Bei dem Mittelständler haben sie sich angesichts der hohen Wachstumsraten im chinesischen Onlinehandel intensiv mit dem Megamarkt beschäftigt. Denn die Kölner haben überlegt, wie sie als kleiner Logistiker in Deutschland auch einen Teil von dem großen Kuchen in China abbekommen könnten. Dabei wollte MBS möglichst neue Wege gehen.

Die Idee: Konsumgüter deutscher oder auch europäischer Firmen an die Onlineshopper in China zu verkaufen. Dabei sei es egal, ob auf den Produkten „Made in China“ oder „Made in Germany“ stehe, sagt Janetzko. Wenn ein Produkt einfach nur aus Deutschland komme, bedeute das für viele Chinesen schon, dass es einen entsprechend hohen Qualitätsstandard hat. Für die Kölner war klar: „Wir müssen versuchen, als klassischer Logistikdienstleister ein Logistikpartner mit Handelskompetenz zu werden.“

Eine Plattform, vier Gesellschafter

In China ergaben sich Gespräche mit potenziellen Partnern. „Und wir haben dann zusammen die Plattform Marco Polo gegründet“, sagt Janetzko, der kürzlich beim E-Commerce Logistics Day der DVZ aufgetreten ist. Marco Polo Cross-Border E-Commerce (MPCE) sei eine integrierte Serviceplattform mit vier Gesellschaftern. MBS kooperiert hier mit chinesischen Partnern, und zwar einer Charterfluggesellschaft, einer Hotelkette und einem Warenhauskonzern. MBS sei dafür zuständig, deutsche oder europäische Firmen heranzuführen und dann auch gleich dafür zu sorgen, dass die Produkte nach China kommen, mit allen Services, die dazugehören.

„Das Schöne daran ist“, sagt Janetzko, „wenn die Produkte nach China gebracht werden müssen, laufen sie automatisch über uns. Wir erarbeiten uns damit unseren eigenen, geschlossenen Markt. Wir partizipieren natürlich an den günstigen Raten von Deutschland nach China. Da haben wir auch keine Engpässe.“ So lasse sich im klassischen Geschäft die entsprechende Marge darstellen, fügt Janetzko hinzu. Das heißt aber nicht, dass man irgendwelche Fantasiepreise in der Fracht abrechnen könne, sondern das müsse schon alles im Rahmen sein. „Das wird alles sehr offen kommuniziert. Wir haben ein Open Book, die Kunden wissen also ganz genau, welcher Punkt was kostet.“ Eine weitere Einnahmequelle sei schließlich der Verkauf der Produkte, wobei diese Marge dann unter den Gesellschaftern aufgeteilt wird.

Die ersten Produkte: Sonnenbrillen

Die ersten Produkte, die MBS nach China gebracht hat, waren Sonnenbrillen der Marke J. Athletics. Sie stammen vom Hersteller Emmerich Fashion, einem kleinen Unternehmen aus Herdecke bei Dortmund. Das Ganze startete vor etwa eineinhalb Jahren. „Wir hatten dann in den ersten drei Monaten zwei Brillen verkauft“, erinnert sich Janetzko. „Und ich fragte mich: Ob das wirklich so eine gute Idee war, 100.000 Brillen nach China zu schicken?“ Doch inzwischen läuft das Geschäft in China – alle Brillen seien mittlerweile verkauft. Geholfen hatte natürlich, dass J. Athletics der offizielle Brillenausstatter der österreichischen Olympiamannschaft ist. Die letzten Winterspiele waren in Peking – und Österreich ist beim Wintersport ein Riese. Eine bessere Werbung gab es also nicht.

In den nächsten Monaten werden laut Janetzko weitere Kunden aufgeschaltet. Dabei wird über die Plattform auch das komplette Produkt in China beworben. Die Kunden müssen sich also um nichts kümmern, nur etwas Werbematerial bereitstellen. „Aber am Ende des Tages sind wir für die gesamte Außendarstellung des Produktes in China verantwortlich“, sagt Janetzko.

Dabei gehe man die verschiedensten Wege. Der Hotelbetreiber zum Beispiel nutze seine Lobby als Präsentationsfläche für die Produkte. Dort könne man zum Beispiel eine Sonnenbrille aufsetzen, aber nicht kaufen. Wer sie haben möchte, bestellt dann via QR-Code. „Dann wird binnen zweieinhalb Tagen zugestellt, und zwar egal wo der Kunde in China ist.“

Auch können bei der Airline Produkte in den Katalogen gelistet werden, für das Onboard-Shopping. In China gebe es letztlich verschiedenste Möglichkeiten, wo die Konsumenten bestellen können. Dort habe Multichannel noch einmal eine ganz andere Bedeutung.

Die Gesellschafter bieten zwei Modelle: Entweder kaufen sie die Produkte ein und gehen damit also ins Risiko, so wie im Falle der 100.000 Brillen, deren Warenwert sich allerdings in Grenzen hielt. Oder aber sie verkaufen in Kommission.

Vor Ort in China betreiben die Gesellschafter keine eigene Lagerinfrastruktur. Sie haben aber eine Halle in der Free Trade Zone des Hafens von Shanghai angemietet.

MBS mache mit dem Plattformgeschäft inzwischen einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag an Umsatz. „Und wir rollen das Thema jetzt weiter aus“, kündigt Janetzko an. Das gelte nicht nur für Deutschland. Über einen Partner würden nun auch potenzielle Kunden in Italien angesprochen. Auch Frankreich sei zum Beispiel noch ein möglicher Markt. In China sei man definitiv bereit, für Produkte aus Europa zu zahlen. Denn zum einen liebten es die Chinesen grundsätzlich zu shoppen. „Der Appetit ist riesig. Und der Wohlstand wächst ja sukzessive“, sagt Janetzko. Und zusätzlich habe die Corona-Pandemie das ganze Cross-Border-Geschäft mit nicht-chinesischen Waren befeuert. Nur in den vergangenen Wochen habe es einen Dämpfer gegeben, und zwar wegen der Lockdown-Situation in China, vor allem in Shanghai.

Die Kehrseite: Warentourismus

Eine negative Seite hat das ganze Geschäft allerdings noch, und zwar wenn man es unter Nachhaltigkeitsaspekten betrachtet: Denn zu einem Großteil werden die Produkte in China hergestellt, werden dann erst einmal zum Beispiel nach Deutschland transportiert und gehen dann wieder nach China in den Verkauf. „Die haben also einen Warentourismus hinter sich, das muss man so sagen“, räumt Janetzko ein. „Wir haben allerdings hier die gesetzliche Vorgabe, dass die Produkte von außerhalb kommen müssen, also außerhalb von Festlandchina.“

Quelle:
https://www.dvz.de/rubriken/logistik/industrie-und-handelslogistik/detail/news/wie-ein-kleiner-logistiker-vom-riesigen-onlinemarkt-in-china-profitiert.html